Von Sven Schlickowey
Remscheid. Als Frauke Eisenach 1995 die Meisterschule absolvierte, war sie eine von 24 Absolventen des Jahrgangs. Doch neben ihr gab es nur drei weitere Frauen in dem Kurs. Heute arbeiten in dem Dentallabor, das sie zusammen mit ihrem Mann Dirk, ebenfalls Zahntechniker-Meister, betreibt, mehr Frauen als Männer. Und seit einigen Tagen ist das Unternehmen das erste in Remscheid, das das Siegel „Handwerk ist hier auch Frauensache“ trägt.
Verliehen wird das von der Organisation Unternehmerfrauen im Handwerk (UFH). Nicht zuletzt, um zu zeigen, dass in diesem Handwerksunternehmen weibliche Azubis und Fachkräfte hoch willkommen sind, wie Gusti Eppels, die Leiterin des Remscheider Arbeitskreis, erklärt. „Das Vorurteil, das Handwerk sei Männersache, existiert leider immer noch“, sagt die Bundesvorsitzende Tatjana Lanvermann. Solche Klischees würden dazu beitragen, dass Mädchen und junge Frauen ihren Beruf nicht ausschließlich nach eigenen Interessen und Fähigkeiten wählten. Und dass dem Handwerk potenzieller Arbeitskräfte entgehen.
Die Zahlen sind eindeutig: 2019 war noch nicht einmal jeder fünfte Azubi im Handwerk weiblich (19,7 Prozent), der Anteil Absolventinnen an Meisterschulen lag mit 17,1 Prozent sogar noch niedriger. Zwar gibt es auch überwiegend weibliche Handwerksberufe wie Maßschneiderin mit 84,5 oder Konditorin mit 80,5 Prozent Frauenanteil, der überwiegende Teil neuer Ausbildungsverhältnisse im Handwerk machen aber Jungen und junge Männer aus. So standen 2019 bundesweit über 61.500 Kfz-Mechatroniker-Azubis gerade mal 2.350 weibliche Kolleginnen gegenüber. Der Frauenanteil bei Tischlern lag bei 13 und bei Malern bei 14 Prozent, berichtet der Zentralverband des Deutschen Handwerks.
Bei den Zahntechnikern ist das Verhältnis nahezu ausgeglichen, trotzdem seien Unternehmen wie ihres, in dem Frauen in der Mehrheit seien, nach wie vor die Ausnahme, berichtet das Ehepaar Eisenach. Möglich sei das vor allem, weil man mit flexiblem Arbeitszeitmodellen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert habe. „Da finden wir immer wieder individuelle Lösungen“, sagt Frauke Eisenach. „Das ist für meine Frau eine Herzensangelegenheit“, ergänzt ihr Mann. Und Teil des Unternehmenserfolgs, die 1989 gegründete Firma Eisenach Dental-Technik gehört heute mit 38 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu den größten Unternehmen dieser Art in der Region.
Um das Siegel zu erhalten, sei so viel Engagement noch nicht einmal nötig, betont Gusti Eppels. Voraussetzung sei, neben einer Mitgliedschaft im UFH, insbesondere die grundsätzliche Bereitschaft, weibliche Kräfte einzustellen – und diese zu fördern.
Wie weit der Weg zur Emanzipation im Handwerk ist, dafür ist ihr Verband selber ein gutes Beispiel. Als der vor 30 Jahren gegründet wurde, hätten manche Mitglieder zu Hause noch erzählt, die würden eine Freundin besuchen, erinnert sich Gusti Eppels: „Weil ihre Männer nicht wollten, dass sie sich weiterbilden.“
Gedacht sei das Angebot damals vor allem für die Ehefrauen der Betriebsinhaber gewesen, die oftmals per Hochzeit zur Managerin im Unternehmen wurden. „Das war für manche sehr schwierig, viele kamen ja aus anderen Berufen.“ Anfangs habe man sich noch damit beschäftigt, wie ein Lehrvertrag auszusehen hat, berichtet Eppels. Inzwischen seien die Themen der regelmäßigen Treffen wesentlich komplexer. Zudem habe man sich der Förderung von Mädchen und Frauen im Handwerk verschrieben, unter anderem durch das Siegel, das Ende letzten Jahres geschaffen wurde.
In diesem Bereich aktiv zu werden, sei längst auch unternehmerische Notwendigkeit, lassen die Eisenachs durchblicken. Denn auch in der Zahntechnik herrscht, wie in nahezu allen Bereichen des Handwerks, Fachkräftemangel. „Für uns im Handwerk ist es unheimlich wichtig, dass wir Mitarbeiter finden“, sagt Frauke Eisenach. Da könne man es sich nun wirklich nicht leisten, nur auf Männer zu setzen.